Deutsches Theater Berlin/Schauspielhaus Graz


ruhig blut

2019
von Eleonore Khuen-Belasi
Regie
 Clara Weyde
Bühne Thea Hoffmann-Axthelm
Kostüme Clemens Leander
Fotos Lupi Spuma

Premiere am 8.6. am Deutschen Theater Berlin im Rahmen der Autorentheatertage/Koproduktion mit dem Schauspielhaus Graz

Bühnenbildnerin Thea Hoffmann-Axthelm knüpfte ein dichtes Netz aus Seilen, in dem das Ensemble zunächst selbstzufrieden wie Spinnen ruht. Die drei Bildungsbürgerinnen Teresa, Aurelia und Agata (gespielt von Henrietta Blumenau, Nico Link und Florian Köhler) werden jedoch dadurch aufgeschreckt, dass der Asphalt schmilzt. Die Risse finden sie so alamierend, dass sie sich aufgerufen fühlen, eine Bürgerwehr zu bilden und ihre liegestuhlartige Komfortzone zu verlassen.
Konrad Kögler in “Lange Nacht der Autorinnen 2019” auf daskulturblog.com

Bühnenbildnerin Thea Hoffmann-Axthelm (schon mehrfach angenehm aufgefallen mit sehr starken, grundsätzlichen Bild-Setzungen, etwa für Stücke von Thomas Köck und Clemens J. Setz!) kreiert dazu ein Rechteck-Geflecht aus kräftigen Seilen, in denen das Spiel-Quartett wie in den Wanten eines Groß-Seglers hinauf und hinab klettern, hängen und sich setzen kann. Die Sprech-Choreographie ist beeindruckend, vor allem, wenn sich der Asphalt persönlich zu Wort meldet: rissig, grob, aggressiv, umstürzlerisch.
Michael Laages auf nachtkritik.de 

Die Bühnenbildnerin Thea Hoffmann-Axthelm hat den drei Frauen, die in Eleonore Khuen-Belasis Stück „ruhig blut“ in Plastikstühlen am Straßenrand sitzen und über Asphalt-Ausbesserungsarbeiten, Grenzziehungen und andere Dinge des aktuellen Gesellschaftslebens plaudern, ein riesiges Netz übers Szenario gespannt. Das passt insofern gut, als hier intendiertermaßen abendfüllend auf Metaebenen ausgerutscht wird, bis der personifizierte Asphalt es satt hat, nur Objekt des Diskurses zu sein, und sich selbst zu Wort meldet: „Wo ist mein Narrativ?“ Berechtigte Frage.
Christine Wahl in „Wo sind bloß die Narrative hin?“ im Tagesspiegel  

Noch surrealer geht es in „Ruhig Blut“ von Eleonore Khuen-Belasi zu: Drei Frauen schauen dem Asphalt unter ihnen dabei zu wie er rissig wird und schließlich die Stimme erhebt. Bei Clara Weyde, die den Text fürs Schauspielhaus Graz inszenierte, hängen sie dabei in einem aus groben Seilen geknüpften Netz. Ein toller Ansatz, die Aufwerfungen der Welt, die Schlaglöcher der Gegenwart verwandeln das Leben in eine Kletterpartie mit Abgründen.
Kathrin Pauly in “Die Autorentheatertage gehen mit einem Glücksfall zu Ende” in der Berliner Morgenpost

Für die absurde Geschichte haben die Regisseurin Clara Weyde und ihr Team eine wunderbare Bühnenentsprechung gefunden, die aus einem schräg gestellten Netz mit groben Maschen besteht, auf dem die drei alten Ladys wie Spinnen herumkriechen und die vierte, die sich seit ihrem Absturz in Gefangenschaft befindet, mit Miniatur-Megafonen bekämpfen, damit sie ja an Ort und Stelle bleibt. Im Gegensatz zu Kutschkes Stück meldet sich bei Khuen-Belasi auch die von Julia Gräfner verkörperte Diskriminierte zu Wort. Erst brüllt sie furchteinflößend nach ihrem Narrativ, dann bringt sie das Netz mit ihrem Körpergewicht fast zum Umsturz.
Anna Fastabend “Miethaushölle und Märchenwald” in der Süddeutschen Zeitung

Weyde lässt „die da oben“ (Henriette Blumenau, Florian Köhler, Nico Link) wie Spinnen in einem starren Netz des althergebrachten Miteinanders (Bühne: Thea Hoffmann-Axthelm) hängen, das Julia Gräfner von unten zu sprengen droht: „Wo ist mein Narrativ?“, fragt sie mit immer größerem Nachdruck und wird so lange ignoriert, bis sie (auch darstellerisch) zur Naturgewalt mutiert und das gesellschaftliche Netzwerk endgültig zerreißt. Und so hängen am Ende nicht nur die Darsteller, sondern das ganze System in der Schwebe.
Christoph Hartner in “Grazer Schauspielhaus spielt in Berlin groß auf” in der Kronen Zeitung